Köppe, Bichtler, Schumpelt - Handwerksmeister machten den Weg frei

Volks- und Raiffeisenbank Saale-Unstrut eG - Vom Vorschussverein über die Ländlichen Spar- und Darlehenskassen zur modernen Bank

Drei Merseburger Handwerker ergriffen 1858 die Initiative

Vor mehr als 150 Jahren begann die Geschichte der heutigen Volks- und Raiffeisenbank Saale-Unstrut eG.

Kluge und findige Handwerker gründeten 1858 in Merseburg einen "Vorschussverein", um den Kapital- und Kreditbedarf kleiner Gewerbetreibender zu decken. Am formalen Gründungstag, dem 18. Januar - einem Montag - fand "Punkt 5 Uhr" im "Local des Rischgartens" eine Versammlung statt. Danach startete die Genossenschaft mit 56 Mitgliedern sowie 74 Talern und 12 Silbergroschen (ein Taler entspricht etwa drei Mark). Zum Vorstand gehörten: Kupferschmiedemeister Gottlob Köppe (Vorsitzender), Schlossermeister Julius Bichtler (Schriftführer bzw. Kontrolleur, später langjähriger Direktor) und Glasermeister Gustav Schumpelt (Kassierer). Sie orientierten sich an den Ideen des Genossenschaftspioniers Hermann Schulze-Delitzsch (1808-1883), der bereits 1850 in seinem Heimatort Delitzsch einen solchen Vorschussverein aufgebaut hatte.

Selbsthilfe - Selbstverwaltung - Selbstverantwortung waren die von ihm aufgestellten Grundsätze für das aufgebaute Genossenschaftswesen. Diese Idee war und ist bis heute erfolgreich.

1875 zog die Kreditgenossenschaft in das Haus Markt Nr. 10. Im Jahre 1919 firmierte der Vorschussverein in "Merseburger Vereinsbank" um, bei 1.357 Mitgliedern und über 82 Millionen Mark Umsatz. 1938 nahm sie erstmals die Bezeichnung "Volksbank" an, die sie auch nach 1990 wieder trug. Ab 1946 und in der DDR hieß sie die Bank bzw. Genossenschaftskasse "für Handwerk und Gewerbe".

Merseburg stand nicht allein da: Auch andernorts bildeten sich Kreditgenossenschaften

Die Merseburger Gründung war innerhalb der Saale-Unstrut-Region nicht einzigartig - sie ist "nur" neben Mücheln (seit 1862) die einzige aus den 1850er/1860er-Jahren, die eine Verbindung zur heutigen Volks- und Raiffeisenbank aufweist. Denn auch in Weißenfels (seit 1857/58), Eckartsberga (seit 1861), Naumburg (spätestens seit 1862), Schafstädt (seit 1863), Hohenmölsen (seit 1865) und anderswo lassen sich Vorschussvereine nach Schulze-Delitzsch nachweisen. Allerdings riss an diesen Orten die genossenschaftliche Tradition zwischenzeitlich ab, wenngleich sie später wieder neu begonnen wurde. Heute bestehen an diesen Orten überall Filialen der Volks- und Raiffeisenbank Saale-Unstrut eG. Diese gehen aber nicht auf die Vorschussvereine zurück, sondern auf später gegründete "Ländliche Spar- und Darlehenskassen".

 

Ein Prinzip - viele Wurzeln: Die genossenschaftliche Idee eroberte die Dörfer

Das Motto "Hilf Dir selbst!" ergriff in den 1890er-Jahren das Land, die Dörfer. Besondes viele "Ländliche Spar- und Darlehenskassen" entstanden 1896: in Dürrenberg, Kötzschau, Mücheln, Prittitz und Gröbitz bei Weißenfels, Zembschen bei Hohenmölsen. Ein Jahr später kamen unter anderem Runthal bei Teuchern und Naumburg hinzu. Sie eiferten dem zweiten Genossenschaftspionier, Friedrich Wilhelm Raiffeisen (1818-1888), nach. Damit erklärt sich auch der Doppelname der heutigen VRB: "Volksbank" steht für die zunächst städtisch-handwerkliche Tradition nach Schulze-Delitzsch, "Raiffeisenbank" für die ländlich-bäuerliche nach Raiffeisen.

Die Zahl dieser Dorfbanken wuchs weiter an: Im Jahr 1914 - dem Beginn des Ersten Weltkrieges - erreichte sie in den damaligen Kreisen Merseburg 25, Querfurt 30, Weißenfels 30, Naumburg 5 und Eckartsberga 15. Ähnliche Zahlen lassen sich auch für 1933 - zum Ende der Weimarer Republik - ermitteln. Später erfolgten mehrere Umbenennungen, in der DDR wurden die Raiffeisenkassen vor allem als Bäuerliche Handelsgenossenschaften (BHG) bekannt.

Nach 1990 fanden Schulze-Delitzsch und Raiffeisen, Stadt und Land zusammen.

Die 1990 wieder unter dem Namen Raiffeisen firmierenden bäuerlichen Kreditgenossenschaften schlossen sich - teils in mehreren Stufen - zusammen und verwuchsen auch mit Wurzeln, die aus den städtischen Vorschussvereinen hervorgegangen waren. 1993 und 1994 verschmolzen Institute im Merseburger Raum, 1994/1995 die Raiffeisenbanken von Weißenfels und Naumburg. Im Jahr 2000 schließlich vereinigte sich die Raiffeisenbank Naumburg-Weißenfels mit der Volks- und Raiffeisenbank Merseburg: Es entstand die Volks- und Raiffeisenbank Saale-Unstrut eG in ihrer heutigen Form.

Beide Linien - Schulze-Delitzsch und Raiffeisen - vereint, machen die Volks- und Raiffeisenbank zu dem, was sie heute ist: eine moderne Universalbank, in der Breite der Gesellschaft und im Alltag der Menschen verankert - organisiert als Genossenschaft und attraktiv für alle.